Cine Arab "From Cairo"
mercredi 15 mars 2023
Bei Cine Arab haben wir gestern den Dokumentarfilm "From Cairo" der ägyptischen Filmemacherin Halal Galal gemeinsam angeschaut. Galal begleitet in ihrer 60-minütigen Doku aus dem Jahr 2021 zwei Kairoer Frauen in ihrem Alltag: Die Zuschauer*innen lernen die alleinerziehende Bildendende Künstlerin und Fotografin Heba und ihre Tochter Ward kennen und sind mit dabei, wenn sie auf den Straßen Kairos unterwegs ist, Freunde trifft, künstlerisch tätig ist oder zu Hause in ihren eigenen vier Wänden lebt und arbeitet. Wir bekommen ihre künstlerische Arbeit zu sehen, wie auch ihre Lebensgeschichte zu hören - beides untrennbar miteinander verwoben. Und wir folgen der Filmemacherin Aya, begleiten sie bei ihren regelmäßigen Team Trainings im Kontaktsport Roller Derby wie auch bei ihrer filmischen Arbeit, hören ihre Geschichte und sehen sie mit ihrer Kamera durch Kairo flanieren. Immer wiederkehrendes Thema im Film ist der Blick der Gesellschaft, der männliche Blick, auf diese zwei Frauen und wie sie damit umgehen. Dramaturgisch endet der Film mit zwei Zäsuren und schafft so ein offenes Ende: Heba pausiert mit ihrer Kunst für ein ganzes Jahr und Aya legt ihr Kopftuch ab. Was diese Frauen wohl ein Jahr später erzählen würden?
Im Anschluss an den Film hat die Psychologin Kesmat Gössinger über ihre regelmäßige empowernde Gruppentherapie-Arbeit mit Frauen in einem Kairoer Kulturzentrum berichtet und die Themen, die sie dort mit den Frauen bearbeitet, mit den Themen des Filmes verbunden wie auch versucht, ein soziopolitisches Bild über die ägyptische Gesellschaft und die Rolle der Frau in den letzten 100 Jahren zu entwerfen: Vom Kolonialismus über die Unabhängigkeit Ägyptens bis hin zum großen Einfluss des saudi-arabischen Wahabismus hat sie Linien ins Heute gezogen.
Kontrovers haben wir im Anschluss im gemischten, deutsch-arabischen Publikum diskutiert: Es wurde der orientalistische Blick auf die arabische Welt kritisiert wie auch auf koloniale Kontinuitäten aufmerksam gemacht, sexuelle Belästigung und patriarchale Strukturen, die in der Doku sichtbar gemacht wurden, wurden kritisiert und feministische Befreiungskämpfe wahrgenommen. Und wir haben die verschiedenen Rezeptionsmöglichkeiten im Hinblick auf den Akt des Ablegens des Kopftuchs im Raum diskutiert, abhängig davon wer wo darüber spricht sowie die Reproduktion von Rassismus thematisiert, die gerade im deutschen Diskurs oft damit einhergeht.
Zum Film gab es leckeres Koshery. Dickes Danke dafür an Mehves Öztürk, die sich an das ägyptische Nationalgericht gewagt hat.
Cine Arab ist kuratiert von Hend Ammann.