Eine Debatte über strukturellen Rassismus
Podiumsdiskussion mit Furat Abdulle, Carmen Colinas, Kalvin Soiresse Njall, Rex Osa.
Kuratiert von Our Voice (Rufine Songué, Roubama Baba-Traoré).
Sa 16.2., 11-12:30 Uhr
Struktureller Rassismus hat viele Seiten, gerade deshalb ist es wichtig, diese Strukturen beim Namen zu nennen und Verflechtungen aufzudecken. Die Podiumsdiskussion „Heute nur geschlossene Gesellschaft“ nahm sich der Aufgabe an, dieses facettenreiche Problem zu durchleuchten. Die vier Diskussionsteilnehmer*innen Furat Abdulle, Carmen Colinas, Kalvin Soiresse Njall und Rex Osa konnten dieses Schlagwort mit ihren verschiedenen Perspektiven begreifbar und fassbar machen – ein Schlagwort, das so vieles bedeutet und von dem doch keiner weiß, was es eigentlich meint. Wenn ich eine Quintessenz des "Dear White People" Symposiums nennen müsste, wäre es der Aufruf, den Problemen auf den Grund zu gehen, um diesen in der Praxis entgegenzuwirken.
Ein ewiges Begleitargument, wenn es um Rassismus im Allgemeinen geht, ist, dass „die Leute das ja gar nicht so meinen“. Allerdings bedingen sich struktureller, institutioneller und individueller Rassismus gegenseitig, was die Verantwortlichkeit eines*r Jeden fordert. Demnach sollten sich etwa Angestellte, auch wenn die Diskriminierungen nicht von ihnen gewollt sind, nicht hinter den institutionellen Strukturen verstecken, sondern eine aktive rassismuskritische Rolle einnehmen.
Rex Osa geht darauf ein, dass legale Grundlagen für Rassismus zwar existieren, dass Individuen, aber dennoch der Ursprung des Ganzen sind. Wenn mehrere Individuen diesen Strukturen nachgeben, sind sie in der Masse letztlich selbst an diesem Prozess beteiligt. Diese Teilhabe sollte genutzt werden, um den Verlauf zu verändern; beispielsweise, indem wir uns unserer Privilegien bewusst werden. Die zuvor erwähnte Wechselwirkung bewirkt gleichsam, dass struktureller Rassismus von der Gesellschaft erlernt wird und somit in das Individuum über geht.
Systemische Diskriminierung muss verhindert werden, indem ihre Grundlagen dafür beseitigt werden, argumentiert Kalvin Soiresse Njall. Um langfristig etwas zu ändern, müsse das System verändert und die Geschichte verstanden werden. Carmen Colinas kritisiert, dass bei Neueinstellungen die Herkunft, Hautfarbe und das Schwarzsein der Anwerber*innen markiert wird und deren Persönlichkeit eine zweitrangige Rolle spielt. Fragen an Bewerber*innen zielen vermehrt auf diese Faktoren ab, dadurch werden sie im Zusammenhang mit diesen Kontexten verstanden und sofort markiert. Diese strukturelle und institutionelle Diskriminierung bewirkt, dass für einige Menschen von Beginn an keine gleichberechtigte, sondern eine besondere, oder wollen wir sagen ‚andere‘ Umgangsform in der Arbeitswelt herrscht.
Dass Vorurteile in unserer Gesellschaft genährt werden, manifestiert strukturellen Rassismus in unseren Köpfen. Kindern werden beispielsweise Vorstellungen von der Unterlegenheit dunkelhäutiger Menschen anerzogen. Kalvin Soiresse Njall betont, dass Rassismus ausgedacht ist und durch einen Teufelskreis reproduziert wird. Anstatt das Individuum in der Gestalt der dunkelhäutigen Person zu sehen, sähen Kinder nur die schwarze Person und zeichnen dessen Bild wiederholt eindimensional, behaftet von Vorurteilen und vergessen den Menschen dahinter. Dies ist auch in der Darstellung von afrikanischen Denker*innen und Führungsfiguren ersichtlich, die oft als dumm, unfähig oder anti-weiß porträtiert wurden, so Soiresse.
Was uns jetzt bleibt ist, diese Anhaltspunkte weiter zu ergründen, über unsere Umwelt und uns selbst zu reflektieren, offene Fragen zu beantworten, damit wir zukünftig verantwortungsvolle Entscheidungen treffen können. Denn mündig sind wir und Entscheidungskraft haben wir auch. Wie wir diese nutzen können - das müssen wir nur noch lernen!
Das Radioprogramm der Moderatorinnen von Our Voice ist hier.
Rebecca Renz