WEISS, FRAGIL UND MACHTVOLL

Warum rassismuskritisch denken lernen wichtig ist

Vortrag von Tupoka Ogette mit Diskussion.
Auf Einladung von Here and Black.
Freitag 15.2., 19:45-20:45 Uhr

Mit Tupoka Ogette findet die Veranstaltungsreihe "DEAR WHITE PEOPLE..." eine starke Sprecherin, für die bis zum letzten Sitzplatz voll besuchte Auftakt-Keynote. Dies wundert kaum, so erreicht die beeindruckende Aktivistin und Autorin ihr Publikum binnen Sekunden auf charmante und nahbare Weise. Das Plädoyer für einen Raum des Dialoges durchzieht ihre Argumentation, ebenso die Forderungen nach rassismuskritischen Gesellschaften, die Räume gestalten sollen, in denen man über Rassismus offen sprechen kann. So nimmt sie ihre Zuhörerschaft mit auf eine Reise des Rassismuskritischen denken Lernens. Ogette thematisiert die quälende Endlosschleife eines jeglichen Adressierens von Rassismus und legt die allgegenwärtigen unzureichenden Definitionen von Rassismus offen. Sie erklärt, dass es sehr unterschiedliche Positionierung im Verständnis von Rassismus gibt, jedoch finden sich meist drei Prämissen: Intention, Situativität und Moral.
Demnach sei für viele eine rassistische Handlung nur dann zu verorten, wenn eine klare bösartige Absicht erkennbar ist. Diese Illusion deckt Ogette unverblümt auf. Sie fragt nach dem Rassismus, der in uns allen schlummert, der Ressourcen und Zugänge verwehrt. Sie verweist damit auf Formen des strukturellen Rassismus, denen wir alle zum Opfer fallen, der lediglich schwerer zu erkennen und zu dekodieren ist, weil er das ganze System durchzieht und vergiftet.
Spätestens an diesem Punkt des Vortrags wird allen Anwesenden bewusst geworden sein, dass Rassismus uns alle betrifft, da das System Rassismus vor keiner Instanz und gewiss keinem Mindset Halt macht.
Ogette wählt starke Worte und vielleicht noch stärkere Bilder, um die gesellschaftliche Realität ins Bewusstsein zu ziehen. Das „Happy-Land“ zum Beispiel ist ein Ort von Weißen für Weiße, an dem Rassismus das Vergehen der Anderen ist und mit der eigenen Person in keinster Weise verwoben sein darf! Dies spreche gegen jegliche moralischen Wertvorstellungen und so bleibt das „Happy Land“ ein Ort, an dem es sich gemütlich und unkompliziert, ohne rassistisch zu wertende Probleme leben lässt – für Weiße versteht sich. An dieser Stelle existiert dieser realitätsferne und doch so entscheidend reale Ort voller Privilegien auf Kosten anderer Menschen.
Die Grenzpolizei des „Happy Lands“ beschreibt Ogette als WHITE FRAGILITY: Jeder Rassismusvorwurf wird als etwas abgeblockt, das im Auge des Betrachters liege und sicherlich ohne bösen Vorsatz passiert sei. Dieser Mechanismus möchte vor einer Konfrontation mit Privilegiertheit schützen und nutzt dazu Wut, Relativierung, Negierung, Emotionalisierung sowie Umkehrung.
Rassismus, so fährt Ogette fort, sei Etwas, wovon Weiße täglich profitieren und Schwarze Menschen/POC leiden.
So bevorzugen es viele Opfer von Rassismus in vielen Situation zu schweigen, als das Risiko einzugehen, mit der Reaktion ihres Gegenübers eine persönliche Verschlechterung zu erleben. Dieses Verhalten beruht meist auf Erfahrung und zeigt die Macht, die in weißer Hand liegt. Es gibt auch ein Gefühl von Ohnmacht und Versagen preis, weil man sich damit abgefunden hat, dass Rassismus zum Alltag gehört.
Bezüglich Macht erklärt Ogette, dass die Auseinandersetzung mit Rassismus nur einseitig freiwillig ist und die eigene machtvolle Norm stetig hinterfragt werden muss. Individuen dürfen nicht stetig hinter Projektionen verschwinden. Ogette plädiert für einen Strukturwandel, wobei sie sich der Utopie einer rassismuskritischen Gesellschaft bewusst ist. Dennoch hält sie an dem Ideal fest, dass das Privileg, als Individuum wahrgenommen zu werden, keine Grenzüberschreitung sein kann.
Tupoka Ogette schließt ihren Vortrag mit den Worten Martin Luther Kings, denn „am Ende werden wir uns nicht an die Worte unserer Feinde erinnern, sondern an das Schweigen unserer Freunde!“ Und so ist und bleibt es die Entscheidung eines jeden Einzelnen, Verbündete im Kampf gegen Rassismus zu sein!

Von OUR VOICE gibt es einen Radiobeitrag zum Vortrag mit Ausschnitten.

Das Buch "exit RACISM" von Tupoka Ogette und weitere Literatur zum Thema gibt's bei der Jos Fritz Buchhandlung. Weiter Infos zu und von Tupoka findet ihr auf ihrer Website. Zusätzliche Infos zu Here and Black in Freiburg gibt's hier.

J. D. Valerie